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Tag 24 | Valentinstag im Poncho

Last updated on August 26, 2023

Geschätzte Lesedauer: 5 Minuten

Happy Valentinsday

14. Feburar, der klassische Tag für Romantiker und alle, die es werden wollen. Romantische Verabredungen, Kerzenschein und schöne Augen machen. Händchen halten. Und die Zweisamkeit genießen. Ganz so romantisch wird der Tag für uns heute nicht verlaufen, dennoch dafür nicht weniger ereignisreich und voller Eindrücke. Heute morgen habe ich aus Island Fotos von neuen Hundewelpen bekommen und mich packt die Sehnsucht, das Pack wiederzusehen, die Huskys ausgiebig zu streicheln und mit ihnen zu rangeln. Ihrem Geheule und dem Konzert zu lauschen, dass die 50 Hunde manchmal mitten in der Nacht veranstaltet haben. Dazu Nordlichter und eiskalte Luft. Magisch und voller Energie. Unser Weg führt uns heute nach Palas del Rei, ca. 24km Jakobsweg liegen vor uns. Den Schmerz von Knie und Schienbein kann ich leider nicht in Portomarin lassen, den nehme ich dann einfach mit. Im Zimmer ein spanisches Paar, dass in Sarria gestartet ist, ab jetzt wird der Weg wohl etwas voller und mit mehr Pilgern gefüllt sein. Wir starten mit bewölktem Himmel und vorbei an einigen Pilgern. Buen Camino hier und da, wie man sich das auf dem Jakobsweg wünscht. Und mir nicht mehr nur wie eine Floskel vorkommt, sondern wie ein ehrlich und gut gemeinter Gruß. Einen guten Weg wünschen. Den anderen Pilgern und jedes mal auch sich selbst. Einen sicheren Weg. Einen erkenntnisreichen Weg. Einen unvergesslichen Weg. Nicht nur hier in Spanien. Sondern auch weit darüber hinaus. Auf unserem Weg haben alle Bars geschlossen, keine Möglichkeit auf ein zweites Frühstück und den heiß ersehnten und wohltuenden Kaffee. Aufwärts. Abwärts. Feldwege und Straße. Immer abwechselnd.

Vorbei an einem Monument. Polizeisirenen. Ich pausiere und ergebe mich kurzzeitig der Knieschmerzen, während Ivan an mir vorbeirauscht und Gas gibt. Ich hole ihn bald darauf wieder ein, wir suchen einen Unterschlupf, weil es anfängt stark zu regnen. An einer geschlossenen Bar teilen wir Wasser und Schokolade. Und bekommen tierische Gesellschaft. Und schenken der Fellnase ausgiebige Streicheleinheiten, bis mein ganzer Körper übersät ist mit Hundehaaren.
Die Sonne bahnt sich langsam ihren Weg durch die dicken Wolken und schenkt uns Wärme. Und gibt uns Motivation, weiterzupilgern.

Die Gesellschaft macht den Weg

Kurz nachdem wir uns wieder auf den Weg gemacht haben, schickt mir Marcel ein Foto. Sitzend in einer Bar bei Wein und Essen. Und wir beide, kurz vorm Verhungern, müssen uns einen Schrei verkneifen, um nicht auszuflippen. Du bist einfach nicht du wenn du hungrig bist. Und klatschnass. Und frierst 🙂
Endlich, gegen Mittag, die lang- und heißersehnte offene Bar. Kaffe. Omelett im Brot. Und ein prasselndes Feuer. Pilgerstempel gratis dazu. Pilgerherz was willst du mehr? Mit vollem Bauch und voller Energie Richtung Tagesziel. Palas del Rei. Auf zur Albergue. Geschlossen. Zweite Albergue. Geschlossen. Scheiße aber auch Mensch! Das kann doch nicht wahr sein! Wir pilgern ein Stück des Weges zurück und folgen der Stadt auswärts. Endlich, dritte Albergue, offen! Mit einem super freundlichen Herbergsvater Marcello. Und er berichtet uns, dass drei Schwestern ebenfalls die Herberge heute gebucht haben. Wie sich später herausstellt, sind es genau die drei Schwestern, welche ich an meinem ersten Tag in Roncesvalles kennengelernt habe. Allerdings schaffen sie ihre Etappe heute nicht und kommen in einer anderen Albergue unter.


Heiße Dusche. Musik. Kaminfeuer. Energie tanken. Und später treffen wir uns mit Marcel und Laura zum Abendessen am Plaza von Palas del Rei. Einige Pilger haben hier ihre Schlafsäcke ausgebreitet, mitten im Winter! Und ich erhalte eine Mail von der gestrigen Unterkunft, mit der knallharten Aussage, dass es kein Versehen war. Sondern sie bewusst versucht haben, mir ein teures Zimmer anzudrehen. Marcel beschwichtigt mich und rät mir, es auf sich beruhen zu lassen. Es einfach bleiben zu lassen und mich nicht weiter darüber zu ärgern. Vorbei. Ende Aus. Micky Maus. Gut ist. Und Recht hat er. Alles andere wäre Energie- und Zeitverschwendung. Beeinflusst mich im Hier und Jetzt. Gibt mir eine negative Aura und würde somit auf meinen weiteren Weg nur noch schlimmer werden. Also lasse ich es einfach auf dem Weg liegen. Und genieße den Abend mit meinen drei Pilgerfreunden bei Käse, Wein und frittierter Pepperoni. Marcel dreht seine Musikbox in der Bar voll auf und unterhält den ganzen Laden. Singt. Tanzt. Und wir mittendrin.


Und ich bin in Gedanken versunken. Überlege, mein Tempo bis Santiago zu reduzieren, es etwas langsamer angehen zu lassen. Mich nicht zu hetzen. Denn obwohl das Ziel so nah ist, kommt mir der Gedanke, dass es bei all unseren Reisen, bei all unseren Wegen und Abenteuern eigentlich nie wirklich um das Ziel, ums Ankommen geht. Sondern letztendlich nur darum, den Weg zu gehen. Das Abenteuer zu genießen. Die Gesellschaft auf dem Weg wertzuschätzen. Und es geht um die Veränderung und den Fortschritt, den man auf dem Weg erfährt. Um all das, um letztendlich ans Ziel zu kommen. Um am Ende des Weges zu erkennen, dass man sich verändert hat. Dass man nicht mehr die gleiche Person ist, die den Weg begonnen hat. Um Erkenntnisse. Aha-Momente. Um Hindernisse, die einem auf dem Weg begegnen und denen man voller Vertrauen in sich und die eigenen Fähigkeiten hat. Und darum, einfach weiterzugehen, auch wenn man das Ziel vielleicht nicht mal wirklich kennt oder vor Augen hat…

Zusammenfassung Tag 24

Portomarin – Palas del Rei
Entfernung: 24,2 km
Gesamtstrecke: 698 km
Höhenmeter aufwärts: 605 m ; Höhenmeter abwärts: 390 m
minimale Höhe: 345 m ; maximale Höhe: 720 m
Dauer: 5 h 40 min


Fazit des Tages
 „El miedo es parte del juego. Die Angst ist ein Teil des Spiels“

Published inJakobsweg - Camino Frances

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Camino - auf dem Jakobsweg
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