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Tag 28 | Allein am Feuer

Geschätzte Lesedauer: 5 Minuten

Der Gorilla

Entspannte Nacht, denkste! Neben mir wieder ein Exemplar eines ausgewachsenen Gorillas. Rumpelnd. Schnarchend. Sägend. Krachend. Rücksicht ist auf dem Jakobsweg manchmal Mangelware, vor allem in den Abendstunden. Wenngleich der gute Herr natürlich nicht wirklich etwas dafür kann, sich während seines offensichtlich erholsamen Schlafes wie ein Sägewerk anzuhören. Dank meiner In-Ohr-Kopfhörer habe ich dennoch ein wenig schlafen können – mehr oder weniger erholsam. Ich starte den Tag frühzeitig mit Kaffee, Banane und einer lieben Nachricht aus Jena von einem guten Freund – Yogameister Max. Und nehme diese Motivation heute mit auf meinem Weg. Der Orangensaft in meinem Rucksack ist leicht angewärmt, offensichtlich gab es hier Bodenheizung. Und für mich geht es nun in die geplant vorletzte Etappe, bevor ich an der Westküste ankommen werde. Nun denn, Buen Camino, Felix!

Regen bringt Segen

7.30 Uhr, ich starte in die Dunkelheit und in den noch trockenen Tag. Nach ca. 700 Metern ein Wald vor mir. Stockdunkel. Meine Stirnlampe reicht gerade für einige wenige Meter. Und ich beschließe, auf den Sonnenaufgang zu warten. Wer weiß, was im Wald lauert und kriecht. Da bin auch ich manchmal ein Schisser, zugegeben. Es fängt an zu regnen, also Regenponcho raus, Regenschutz über den Rucksack. Quasimodostyle. Wenige Fotos. dafür reichlich Nass und tolle Landschaft vor mir. Neben mir. Hinter mir. Kalte Füße, die Hose ist klitschnass und ich? Ich laufe einfach freudig weiter. Einmal wäre ich fast falsch abgebogen, bei dem Wetter erkennt man selbst den sonst so gut gekennzeichneten Weg nicht gut. Ich pausiere bald an einer kleinen Bar, der Kellner hat offenbar Stimmprobleme und wir verständigen uns eher mit Hand und Fuß – klappt trotzdem. Kaffee. Saft. Und dank der gestrig gekauften Notration munter weiter durch den Regen. Motivation und Energie sind heute meine Wegbegleiter, selbst die nassen Füße stören mich wenig. Viele freilaufende Hunde, einen davon muss ich etwas lautstark zurechtweisen, da er mir gefährlich nah kommt und offenbar eine Vorliebe für deutsche Pilger hat. A qui!


Mit dem Stock immer in Abwehrhaltung weiter, entlang grüner Wiesen. Und aufwärts. Immer aufwärts. Dank guter Musik und meiner eigenen guten Gesellschaft heute kein Problem. Die Aussicht entlohnt mich. Die letzten Kilometer wieder aufwärts, entlang eines Kamms an einem kleinen Fluss. Ankunft 15 Uhr in Logoso. Eine Hand voll Häuser und eine Albergue. Ich telefoniere mit dem Herbergsvater, der die Unterkunft nur für mich öffnet. Denn ich verbringe den Abend hier allein. In einem recht kühlen Zimmer, dafür mit einer Vielzahl an Decken und einem Kamin im ersten Geschoss. Dazu eine heiße Dusche und einen Schwatz mit dem Herbergsvater in seiner Bar nebenan. Schuhe trocknen am Feuer, dazu Wäscheservice. Wahnsinn!
19 Uhr Abendessen. Salat. Omelett. Bier. Der Herbergsvater berichtet, dass er hier bereits seit Jahren wohnt und die Herberge auch außerhalb der Hochsaison öffnet, da er die Pilger gern unterstützen möchte. Und er es genießt, den stressigen Tagen innerhalb des Sommers ein wenig zu entkommen. Gracias! Und er berichtet, dass er 2019 um die 7000 Gäste hatte. Und heute? Nur mich 🙂


Morgen geht es für mich auf die letzte Etappe auf meinem Jakobsweg. Wohin es mich danach führt? Auf einen neuen und mir (bis dahin) noch unbekannten, weiten Weg…

Zusammenfassung Tag 28

Negreira – Santa Marina – Logoso
Entfernung: 37,8 km
Gesamtstrecke: 826 km
Höhenmeter aufwärts: 959 m ; Höhenmeter abwärts: 831 m
minimale Höhe: 145 m ; maximale Höhe: 477 m
Dauer: 7h 20 min


Fazit des Tages
 „Wenn es regnet, ist die Sonne ein Segen!“

Published inJakobsweg - Camino Frances

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Camino - auf dem Jakobsweg
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